Anke Dezius und Katrin Degen, Gründerinnen von GUSSWERK Schürzen Berlin

Wir waren im September 2023 bei GUSSWERK, einer Manufaktur für nachhaltig produzierte Arbeitskleidung in Berlin Weißensee. Die Manufaktur wurde 2014 von Anke Dezius und Katrin Degen gegründet. Mit den beiden Gründerinnen sprachen wir ausgiebig und mit sehr viel Spaß über ihre schönen und funktionalen Arbeitsschürzen.


Lesezeit ca. 9 Minuten

Gurt ab!

gutes MATERIAL (gM):
Hallo Anke, hallo Katrin, schön bei euch zu sein und vielen Dank für eure Zeit.

Katrin Degen:
Sehr schön. Wir freuen uns, dass ihr da seid.

gM:
Dann steigen wir gleich ein: Warum Schürzen? Wie seid ihr auf das Thema gekommen?

Anke Dezius:
Eigentlich ist die Schürze ein Überbleibsel. Es galt, in der klassischen Berufsbekleidung einen Artikel zu finden, der den Mitarbeiter erkennbar macht und vom Kunden unterscheidet. Denn es war zunehmend so, dass 2008/ 2009 in der Gastronomie viele Konzepte auf die persönliche Kleidung der Mitarbeiter gesetzt haben. Dass der Uniform-Gedanke immer weiter zurückging. Wir damals mit Heide Pucher, der Restaurantleiterin von Tim Mälzer, überlegt: „Was könnte dieser Artikel sein?“ Da ging es erst um ein Käppi, dann um eine Armbinde. Und da haben wir gesagt: „Nein!“ Und übrig blieb die Schürze. Das war ein interessanter Artikel, der sich dann immer weiter aufgebaut hat. Aber der damals eben nur ein Artikel war in unserem Berufsbekleidungs-Sortiment.

Als Katrin und ich uns kennengelernt haben lag dieser Artikel in der Schublade und wir waren beiden davon überzeugt, dass man daraus mehr machen kann. Und vor allem kann man die Bänder abknöpfen! Durch die Abknöpfbarkeit der Bänder gibt es eine bessere Wasch-Leistung und man kann einen hochwertigen Artikel gestalten, eben auch durch den Einsatz von anderen Materialien, wie zum Beispiel Leder. Auch dadurch wird der Artikel sehr langlebig.

Katrin:
Anke hatte diese Firma für Berufsbekleidung. Und als wir uns kennenlernten, lag eben diese Schürze in der Schublade. Wir haben davor beide für eine Mode-Produktions-Agentur gearbeitet. Mit unterschiedlichen Tätigkeiten, aber waren eigentlich beide für Mode zuständig. Ich habe eine lange Historie im Fashion-Bereich und habe schnell gemerkt, dass das nicht das ist, was ich machen möchte. Immer diese schnell wechselnden Trends und ein super krasser Preisdruck und dann macht man das 100ste T-Shirt in der 1000sten Farbe.

Die Schürze fand ich schon auch immer total spannend. Meine Mutter hat früher in einem Käseladen gearbeitet, da habe ich dann für den ganzen Laden die Schürzen genäht. Als wir uns dann kennenlernten, erzählte Anke mir von der Schürze. Da war ich sehr schnell sehr angetan und wir haben angefangen, uns intensiver mit dem Thema zu beschäftigen. Berufsbekleidung funktioniert ganz anderes als Mode. Die muss funktional sein und wird wirklich gebraucht. Muss aber trotzdem irgendwie gut aussehen. Sie bekommt eine andere Funktion, nochmal einen anderen Wert, als ein Fashion-Artikel.

„Und übrig blieb … die Schürze. Das war ein interessanter Artikel, der sich immer weiter aufgebaut hat.“

gM:
Berufsbekleidung gibt es ja bei euch nicht nur für die Gastronomie, sondern auch für andere Bereiche. Für welche Gewerke produziert ihr eure Schürzen oder wer sind eure Kunden? 

Katrin:
Wir produzieren zu ca. 85 % für Hotellerie, Restaurants, Gastronomie und Catering. Aber auch für verschiedene Handwerksberufe, wie Floristik oder Holzarbeiten. Wir haben eine spezielle Schürze mit einem Gitarrenbauer entwickelt, die verschiedene Features hat. So dass die Beine geschützt sind, die Späne aber durch den Schoß durchfallen können auf den Boden. Da haben wir verschiedene Besonderheiten berücksichtigt. Was haben wir noch? Eine Brauer-Schürze haben wir mal angefangen.

Anke:
Und natürlich den Einzelhandel, Supermärkte, also kleinere Läden und Delikatessen-Läden.

Katrin:
Stimmt. Marktstände haben wir in den letzten Jahren vermehrt dazubekommen. Und Bäckereien. Da haben wir einen Zusatzartikel entwickelt zur Schürze: Einer unserer Bio-Bäcker wollte unbedingt auf die Plastik-Handschuhe verzichten. Er meinte, er hat das tolle Bio-Brot und jetzt auch Schürzen aus nachhaltiger Baumwolle und dann muss er immer noch die Plastik-Handschuhe nehmen für die Hygiene. Da haben wir aus dem gleichen Material einen Bäcker-Handschuh entwickelt, der auch hochgradig waschbar ist und die Plastik-Handschuhe ersetzt. Das war toll! Er ist an uns herangetreten und wir haben dann entwickelt und jetzt wird der Handschuh benutzt. (lacht)

gM:
Wie schön. Also sehr individuell auch. Und was macht eure Schürzen so besonders?

Katrin:
Also wir haben den abnehmbaren Gurt entwickelt, damit sind wir gestartet. Das war am Anfang unser USP. Es gab damals keine Schürze im deutschsprachigen Raum, die einen abnehmbaren Leder-Gurt hatte. Dann haben wir eine weitere Variante entwickelt, bei der der Gurt auf dem Rücken über Kreuz getragen wird. Das ist sehr viel komfortabler, als wenn man eine Schürze mit Nacken-Band trägt.

Außerdem sind unsere Schürzen ab einer Stückzahl von 50 konfigurierbar. Das heißt, der Kunde kann sich aus einem gewissen Portfolio an Materialien, Taschen, Bändern, Schlaufen und Nieten selber zusammenstellen, was er braucht. 

Anke:
Ich glaube, da kommt auch noch der Gestaltungs-Aspekt hinzu. Wir setzen vornehmlich Stoffe ein, die üblicherweise nicht für Schürzen genutzt werden. Das sind oft Stoffe aus dem Berufsbekleidungs-Bereich, aber auch aus dem Militär. Die haben einen viel stärkeren Charakter, als die üblichen leichten oder die ganzen 100 % Polyester-Stoffe, die bei einfachen Schürzen eingesetzt werden. 

Katrin:
Und wir haben verschiedene Größen. Also wir können auf Körperhöhe und -umfang eingehen. Regulär verkaufen wir S, M, L und manchmal XL. Gern auch verschiedene Längen, wenn das gewünscht ist. Eine Vielzahl an Schürzen haben wir inzwischen in unserem Lagerware-Programm, für all diejenigen, die kleinere Mengen, oder auch kurzfristig, bestellen wollen. Und ab fünf Stück gibt es unsere Gewerbepreise.

gM:
Ich würde ganz gerne noch einmal auf die Materialität zu sprechen kommen. Ihr verarbeitet ganz unterschiedliche Materialien in einer Schürze. Was ist das alles?

Anke:
Wir setzen Stoffe ein, die zu 100 % aus Bio-Baumwolle bestehen. Die kommen, unter anderem, aus dem militärischen Bereich. Denkt man gar nicht, dass Bio-Baumwolle beim Militär eingesetzt wird, aber so ist es. Da gibt es auch sehr schöne Farben – ein wunderbares Grün und ein Dunkelblau. (lacht) Das funktioniert sehr gut. Aber der Kunde muss wissen, dass eine reine Bio-Baumwolle nach dem Waschen eher den Charakter einer Jeans hat, als den einer knitterfreien Schürze. Wir setzen auch Materialien aus Misch-Geweben ein, für Firmen, die es pflegeleichter haben wollen. Das hat auch einen Nachhaltigkeits-Aspekt, aber da kommen wir bestimmt später noch drauf.

Und wir fertigen Schürzen mit und ohne Metall-Artikel. Die Metall-Artikel waren anfangs gar nicht angedacht. So dass wir gesagt hätten, dass solle jetzt besonders cool aussehen, sondern es ging darum, die Schürze länger haltbar zu machen. Ich zeig das mal kurz: hier ist jetzt eine Tasche drauf und wenn hier ein Halter für den Gurt angebracht wird, ist das eigentlich nicht lange haltbar. So das wir gesagt haben: „Mensch, einfach nur eine Naht, das ist eigentlich nur bedingt haltbar, wenn es mal schnell gehen soll und dann da Zug drauf ist.“ Also sichern wir die Naht mit einer Niete. Das ist eine gute Kombination, gerade wenn man so was hat, wie eine Känguru-Tasche, wo immer von oben alles reingestopft wird. Das kann lange halten, wenn ein entsprechend stabiles Gewebe eingesetzt wird. Dadurch hat sich über die Zeit unser Look entwickelt. Das ist echt form follows function – Wie es klassisch im Design-Bereich gelehrt wird. (lacht)

„Das ist echt form follows function – Wie es klassisch im Design-Bereich gelehrt wird.“

Katrin:
Und wir kaufen alles in Europa ein. Teilweise haben wir auch Webereien in Deutschland. Leider gibt es da gar nicht mehr so viele. Wir hatten eine tolle Weberei in Süd-Deutschland, die musste leider irgendwann schließen. Jetzt haben wir noch eine Weberei in Nordrhein-Westphalen, mit der wir zusammenarbeiten und die restlichen Stoffe kaufen wir in Italien. Auch die Metall-Artikel, von denen Anke gerade sprach, kommen aus Italien. Wir vermeiden Produkte, die von so weit herkommen, dass wir nicht gut kontrollieren können, wie die Arbeitsbedingungen sind.

Bei den Stoffen setzen wir auch Polyester ein, weil es länger haltbar ist und es im Berufsbekleidung-Bereich einfach auch um Haltbarkeit und strapazierfähige Materialien geht. Unsere Lieblingsstoffe sind tatsächlich aus Bio-Baumwolle. Aber letzten Endes muss die Schürze leicht zu pflegen sein und lange halten. Teilweise gibt es Stellen die extrem belastet werden. Wenn ein*e Verkäufer*in zum Beispiel immer an die Theke stößt, das gibt viel Reibung und das macht einen Polyester-Anteil oft unabdingbar.

gM:
Ihr setzt ja auch Leder ein und das hat ein paar Besonderheiten.

Katrin:
Ja. Das Leder ist vegetabil gegerbt. Das kaufen wir in Deutschland ein. Wir haben eine Gerberei in Nord- und eine in Süddeutschland. Die Rinder kommen aus Weidehaltung und es handelt sich bei unserem Leder um ein Abfallprodukt der Fleischindustrie. Alles ist vegetabil nachhaltig gegerbt. Man kann natürlich sagen okay, Leder ist an sich keine gute Idee, weil es ein Produkt aus der Fleischindustrie ist. Also man sollte am besten gar keine tierischen Produkte verarbeiten, aber es ist eben auch ein sehr langlebiges Material. Und für uns bedeutet Nachhaltigkeit auch, dass das Produkt sehr langlebig ist. Aus dem Grund finden wir es total okay und vertretbar, Leder einzusetzen. Wir haben alternativ auch textile Gurte. Aber wenn man einen Leder-Gurt wählt, dann ist der ein Leben lang haltbar. Wenn mal was kaputt geht, was fast nie vorkommt, aber angenommen, irgendwo geht mal ein Druckknopf raus, dann reparieren wir das. Wir bieten einen Reparatur-Service an.

gM:
Jetzt habt ihr schon erwähnt, dass ihr eure Materialien aus Produktionen in Deutschland und der EU bezieht. Wonach wählt ihr eure Zulieferbetriebe aus?

Katrin:
Im Prinzip haben wir keine mannigfaltigen Optionen. Es gibt wenige Material-Hersteller für Arbeitskleidung, die überhaupt noch in der EU sitzen. Viele große Arbeits- oder Berufsbekleidungs-Hersteller kaufen ihre Rohstoffe in Asien ein und hier gehen dadurch die Betriebe ein und einerseits Arbeitsplätze und andererseits Wissen verloren. Wir legen Wert auf kurze Wege. Für einen besseren ökologischen Fußabdruck und auch, um die regionale Industrie zu unterstützen. Es ist nicht so, dass bei uns alles komplett durchzertifiziert ist. Das ist mit den kleinen Zulieferbetrieben teilweise gar nicht möglich. Aber unsere Textilien sind alle nach OEKO-TEX-Standart zertifiziert. 

Anke:
Seit einiger Zeit arbeiten wir mit einer nachhaltigen Produktionsagentur zusammen, die dann die Kontakte zu ihren Näherein herstellt. Das vereinfacht unsere Arbeitsprozesse.

gM:
Wie heißt diese Agentur?

Katrin:
Das ist das GOOD GARMENT COLLECTIVE.

„Mensch, einfach nur eine Naht, das ist eigentlich nur bedingt haltbar, wenn es mal schnell gehen soll und dann da Zug drauf ist.“

gM:
Ihr arbeitet viel mit robustem Baumwollstoff. Für einige Produkte muss jedoch auch eine synthetische Faser mitlaufen. Was für eine Faser ist das?

Katrin:
Polyester. Wir haben überwiegend Baumwoll-Polyester-Mischgewebe. Wenn wir mit Mischgeweben arbeiten, dann sind es 60 % Baumwolle und 40 % Polyester. Und dieser Polyester-Anteil sorgt dafür, dass das Material farbecht ist. Und das es nicht so stark knittert, wenn es aus der Maschine kommt. Auch für die Reib-Echtheit ist der Polyester-Anteil relevant. Wir haben auch schon überlegt, ob es Möglichkeiten gibt, recyceltes Polyester einzusetzen, aber da sind wir total abhängig von unseren Material-Herstellern. Wir sind eine kleine Manufaktur und würden am liebsten alles Cradle to Cradle herstellen und eine Schürze produzieren, die komplett kompostierbar ist. Da gibt es Träume, die wir verfolgen, aber als kleines Unternehmen ist es super schwer, solche Prozesse anzustoßen. Auch beim Leder gibt es mittlerweile Pilz- und Ananas-Leder und ähnliches. Wir haben uns da schon auf den Weg gemacht und das eine oder andere angeschaut. Aber man braucht einfach mehr Einkaufs-Power, um überhaupt etwas Neues entwickeln zu können mit einem Material-Hersteller.

gM:
Euch ist das Thema Nachhaltigkeit sehr wichtig. Deswegen arbeitet ihr intensiv daran, eure Schürzen so langlebig wie möglich zu machen. Wie langlebig sind eure Schürzen?

Anke:
Das kommt drauf an! Das kommt auf das Waschverhalten an, und darauf wie gereinigt wird. Diese Seite liegt komplett beim Kunden. Darauf haben wir keinen Einfluss. Wir können gerne einen Erfahrungswert teilen. Und der sieht so aus, dass unsere Kunden in der Regel nach drei Jahren nachbestellen. Keine Gurte, sondern nur die Fronten. 

gM:
Okay. Also alle drei Jahre.

Anke:
Also den textilen Teil. Der wird nach ungefähr drei Jahren nachbestellt. Zumindest was Gastronomie und Hotellerie angeht. Es gibt Gewerbe, da gelten andere Intervalle, aber die sind nicht repräsentativ. In der Floristik ist der Zyklus vielleicht noch ein bisschen länger. Wir geben hier erfahrungsgemäß einen Wert von drei Jahren an. Aber wie gesagt, das betrifft nicht den Leder-Teil, also nicht die Gurte. Da gibt es eigentlich wenig Nachbestellungen. Wenn neue Mitarbeiter eingestellt werden zum Beispiel. Und bislang haben wir auch sehr wenig Reparaturen.

„Es gibt eine Basis-Schürze und die statten wir für den Kunden mit den entsprechenden Extras aus.“

gM:
Wie funktioniert die Herstellung einer Gusswerk-Schürze? Von der Idee bis zur fertigen Schürze – Wie ist der Prozess?

Anke:
Meistens werden wir weiterempfohlen. Dann haben die Kunden die Möglichkeit, bei uns anzurufen oder unseren auf der Website eingestellten Konfigurator zu benutzen. Das ist eigentlich so eine Art Spielzeug für unsere Kunden. Da können sie schon mal schauen, was gibt es für Farben? Wer sich auskennt – was gibt es für Materialien? Welche Optionen habe ich für die Ausstattung der Schürze? Sprich, brauche ich einen Halter für ein Handtuch oder welche Taschen-Größe brauche ich, welche Taschen-Position? Daraufhin schreiben Sie uns eine Mail. Spätestens dann telefonieren wir persönlich und eruieren, ob das auch wirklich die richtige Auswahl ist. Dann sind wir beratend tätig, welche Stoffe in Frage kommen, schnüren ein kleines Muster-Paket und schicken es an den Wunsch-Ort. Dort darf dann anprobiert und angefühlt werden. Meistens braucht es ca. 14 Tage und dann meldet sich der Kunde wieder. Es sollte eigentlich im Design losgehen, aber es sieht eben oft so aus, dass die Basis der Schürze schon steht, wenn wir zum Prozess dazu kommen.

Es gibt eine Basis-Schürze und die statten wir für den Kunden mit den entsprechenden Extras aus. Insofern fällt hier auch kein Prototyp an. Wenn der Entwurf steht, schreiben wir ein Angebot und der Kunde freut sich oder freut sich nicht. (lacht) Das kommt auch mal vor. Kriegt man aber meistens vorher raus, ob man preislich zusammenkommt.

Dann wird die Schürze entsprechend den Vorstellungen gefertigt. Der textile Teil nicht bei uns, der wird bei unseren Partnerbetrieben platziert. Es wird auch woanders individualisiert, zumindest was den Logostick angeht. Wenn diese zwei Schritte durchlaufen sind, kommen die Schürzen wieder zu uns. Hier erfolgt die Qualitätssicherung und der textile Teil wird endverarbeitet, wenn es Nieten oder ähnliches braucht. Parallel zu diesem Prozess findet hier bei uns, in der hauseigenen Berliner Werkstatt, die Gurt-Fertigung statt. (lacht)

gM:
Gurt-Fertigung ist genau das richtige Stichwort. Wer schon einmal einen Stapel Service-Schürzen gewaschen hat, kennt es: Alle Bänder haben sich in der Waschmaschine zu einem „lustigen“ großen Knoten verwickelt. Um das zu verhindern, habt ihr ein abnehmbares Gurt-System entwickelt. Beschreibt doch mal, welche Systeme es da gibt.

Katrin:
Der abnehmbare Gurt ist im Prinzip das System. Wir haben verschiedene Varianten der Gurte: textile Gurte, die auf dem Rücken über Kreuz gebunden werden. Dann haben wir eine Kombination aus Leder und Textil. Das ist auch eine Bindung für die Latz-Schürzen am Rücken über Kreuz. Und wir haben eine Variante von Gurt an Hals und Hüfte. Das ist eher klassisch, dann hängt die Schürze im Nacken. Das empfehlen wir in der Regel nicht. Also wir machen das natürlich, wenn der Kunde das möchte, ist ja auch eine Frage des Looks. Das sieht eben auch ein bisschen anders aus, als die Kombination von Leder und Textil. Aber es ist, wenn man die Schürze den ganzen Tag trägt, nicht wirklich komfortabel. Neben den Latz-Schürzen bieten wir auch Vorbinder-Schürzen an und da haben wir entweder einen Vollleder-Gurt oder auch wieder textile Gurte. Je nachdem, was gewünscht ist.

gM:
Ihr habt euren Konfigurator schon kurz erwähnt. Das ist ein Baukastensystem, mit dem eure Kunden individuell ihre Schürzen zusammenstellen können. Welche Bestandteile beinhaltet dieses Baukastensystem?

Anke:
Unser Konfigurator funktioniert aktuell ab 50 Stück. Das können wir leider nicht für Einzel-Schürzen anbieten. Der Kunde hat die Auswahl aus verschiedenem Material, mit unterschiedlichen Grammaturen. Es gibt mehrere Farben und drei Längen in vier Größen. Außerdem bieten wir sechs verschiedene Taschen, die unterschiedlich positioniert werden können. Es gibt zusätzliche Beutel und Halterungen für Tücher, mit oder ohne Metall-Accessoires. Und dann kann man aus sechs verschiedenen Gurten wählen. Irgendwann befindet man sich dann in einer Potenz. (lacht)

gM:
Genau! Die Potenz ist zehn hoch 6 – hab ich mal auf eurer Website gelesen. (alle lachen) Gibt es wirklich eine Million Möglichkeiten bei der Konfiguration eurer Schürzen?

„Wir möchten auf Anfrage gemeinsam mit dem Kunden Klassiker der Berufsbekleidung weiterentwickeln.“

Anke:
Die Potenz stimmt natürlich nicht, aber es sind so viele Möglichkeiten, und es kommen immer wieder Neue dazu, dass wir sie bisher nicht genau durchgerechnet haben. Aber es gibt auf jeden Fall mehr als 20.000 Kombinations-Möglichkeiten. Die Merkmale für die einzelne Schürze sind nicht so gravierend, aber die Möglichkeiten sind eben sehr sehr vielfältig.

gM:
Ihr bietet auch Sonderanfertigungen an. Die Schürze „Bauhaus 5“ zum Beispiel. Wenn ich ein Gastro-Projekt plane und eine Sonderanfertigung möchte, wieviel Vorlauf sollte ich da einplanen?

Katrin:
Also ich würde mal sagen, Minimum vier Monate. Je nachdem, wie viele Schürzen oder wie viele Teile es am Ende werden. Wir haben aktuell eine Fertigungszeit von 4 bis 8 Wochen, wenn das Produkt steht. In der Regel steht ja, wie Anke schon sagte, die Basis-Schürze und es werden dann nur noch verschiedene Ausstattungen gewählt. Aber wenn es um ein Design geht, dass komplett neu entwickelt wird, dann braucht es Vorlauf. Das geht auch eigentlich erst ab 100 Stück los. Und dann müssen wir erst mal den Kunden verstehen, in welche Richtung soll das gehen? Dann werden erst mal Skizzen gezeichnet, Prototypen hergestellt und dann checken wir, welche Materialien wir dafür verfügbar haben. Insgesamt würde ich sagen, sind es eigentlich 3 bis 4 Monate, die man an Zeit braucht, damit es am Ende nicht hektisch wird.

Anke:
Das ist übrigens ein wichtiges Thema: ein Problem-Bewusstsein zu schaffen. Die Mitarbeiter-Kleidung kommt immer ganz zum Schluss, wenn das Innendesign und alles andere schon steht. Wenn ohne mit der Wimper zu zucken Sessel für 12.000 € gekauft wurden und dann fangen zum Schluss die Verhandlungen über ein individuelles Berufsbekleidungs-Design an, wo dann gesagt wird: „Nee, also 10.000 € für 100 Stück, das ist uns zu viel.“ Na, dann spart euch doch einen Sessel dafür.

Wir würden super gerne früher mit in den Prozess. Dann könnten wir viel früher sagen, das möglich ist und was nicht. Das ist ein Riesen-Wunsch von uns, früher eingebunden zu werden. Wir hoffen, dafür gibt es bald mehr Bewusstsein.

gM:
Also, ich glaube, dass sich da das Bewusstsein gerade verändert. Und ich nehme es auf jeden Fall gern zu meinen Kund*innen mit. (alle lachen)

Anke:
Neuerdings arbeiten wir verstärkt mit Lagerware. Weil das auch für spontane Kund*innen, die in Kürze ihren Laden eröffnen und dann schnell noch 20 Stück brauchen, funktioniert. Das ging früher nicht, weil wir gar nicht so viel Lagerware hatten. Das sind inzwischen sechs Modelle in verschiedenen Farben. Gurte werden ja sowieso individuell dazu bestellt. Auf Längenwünsche können wir teilweise auch eingehen. Wir können auch mal kürzen, wenn es sein muss.

gM:
Ihr bietet auch die Möglichkeit, die Schürzen mit einem Logo-Branding zu individualisieren. Welche Möglichkeiten bietet ihr da?

Anke:
Wir bieten zwei Möglichkeiten an: Erstens die Bestickung. Das Schöne an Bestickung ist, sie ist, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so günstig scheint, doch kostengünstiger für kleine Aufträge, weil die Einrichtungskosten geringer sind. Und es ist eine sehr hochwertige und lange haltbare Veredelung. Im Gegensatz zum Druck. Da hat man eine wahnsinnig schöne Schürze, die wahnsinnig lange hält und der Druck leidet unter der Nutzung. Das ist gar nicht den Druckern vorzuwerfen, sondern das ist oft abhängig vom Material und von der Verbindung der Druckfarbe mit dem Material. Eine weitere Möglichkeit ist das Leder-Branding. Der Kunde bekommt von uns ein Eisen angefertigt mit seinem Logo und das kann dann in das Leder eingebrannt werden, vorrangig auf die Gurte.

Katrin:
Und wenn das Logo für den Gurt zu breit ist – unsere Gurte haben ja nur eine gewisse Breite – haben wir einen Leder-Batch mit Klettverschluss entwickelt. Das heißt, da kann dann das Logo mit Klettverschluss auf die Schürze geklettet werden und zur Wäsche wird es dann wieder abgenommen. Da hat man ein bisschen mehr Spiel, was die Größe des Logos angeht.

gM:
Und das Branding auf dem Leder macht ihr hier in der Werkstatt?

Katrin:
Genau.

gM:
Braucht die Individualisierung viel Vorlauf?

Katrin:
Bestenfalls zwei Wochen.

Anke:
Ganz knackig gehen auch mal zehn Tage.

Katrin:
Mittlerweile haben wir hier eine Stickmaschine. Wir können einige Sachen auch hier Sticken.

„Unser liebster Mainseller ist die Barista-Schürze. … Die kann sowohl in der Küche, als auch im Service, als auch in der Bar eingesetzt werden.“

gM:
Kommen wir auf das Thema Preis. In welcher Preisspanne bewegen sich eure Schürzen?

Katrin:
Der Preis setzt sich immer zusammen aus Gurt und Front. Wobei wir immer empfehlen, dass man einen Gurt pro Mitarbeiter kauft und 2 bis 5 Fronten. Je nachdem, wieviel gewaschen werden muss. Also in der Küche zum Beispiel entsprechend mehr als im Servicebereich. Bei den Gewerbepreisen liegt der günstigste Gurt, den man bei uns erwerben kann, bei 15 Euro ohne Leder und die Fronten bewegen sich zwischen 35 und 54 Euro. Und dann ist es aber eben nicht 15 plus 35 Euro, sondern 15 für den Gurt und fünf mal 35 Euro für fünf Schürzen. Es sind quasi Pakete, die man einkauft.

Anke:
Unsere Schürzen variieren in einem sehr großen Preis- und Qualitätsspektrum, was Material und Ausstattung angeht. Und zwar immer aufbauend auf unser System. Man kann inzwischen Schürzen für 35 im Gewerbebereich, plus die Gurte für 15, also insgesamt 50 Euro kaufen. Aber man kann natürlich die absolute High-Quality-Variante wählen und die ist dann natürlich entsprechend wertiger. Wir haben versucht, auf unserem Qualitätsniveau zu bleiben, aber ein bisschen abgespecktere Varianten auf den Markt zu bringen. Da arbeiten wir verstärkt mit unseren Textilgurten und das funktioniert und wird sehr gut angenommen.

gM:
Welche Schürze verkauft ihr am meisten? Gibt es da ein Modell?

Anke:
Ja, gibt es. (beide lachen) Die meistverkaufte Konfiguration ist eine Basis-Schürze, lange Länge auf anthrazitfarbenem Twill, das ist ein Misch-Gewebe, mit Metall-Accessoires, Ausstattung eine Tasche, ein Touchon-Halter. Dazu ein Textilgurt, oder noch häufiger, ein Kombinationsgurt aus Leder und Textil in der Farbe Braun. (beide lachen wieder)

Katrin:
Das haben wir kürzlich erst analysiert. (lacht)

gM:
Würdet ihr sagen, dass diese Schürze eure Signature Schürze ist?

Katrin:
Ja leider. (lacht) Wir hätten es, glaube ich, gern anders und arbeiten hart daran, dass sich da mal was ändert. Wir haben so viele schöne Farben und Kombinations-Möglichkeiten. 

Anke:
Aber unser liebster Mainseller ist die Barista-Schürze. Die haben wir mit einer Barista entwickelt, hat viele verschiedene Taschen und ist auch aus einem schweren Canvas. Die kann sowohl in der Küche, als auch im Service, als auch in der Bar eingesetzt werden. 

gM:
Und habt ihr jede eine Lieblingsschürze? Wenn ja, welche ist das? Und warum genau die?

Anke:
Ich spreche jetzt mal für mich. Also ich mag die anthrazitfarbene Schürze sehr, sehr gern. Auch mit dem braunen Ledergurt. Und als Pendant dazu die petrolfarbene Bio-Baumwoll-Schürze. Das ist ein ganz warmes Petrol-grün. Die hat einen ganz anderen Look. Ich mag gern die mittlere Länge. Ich bin eine kleine Person, mir sind die Langen immer ein bisschen zu lang. Und ich mag sie ganz gerne ohne Metall-Accessoires, am liebsten mit einem tonalen Textilgurt.

Katrin:
Also ich finde die grüne Bio-Baumwolle von uns total schön, die hat so einen schönen Stand. Gurtmäßig bin ich da gar nicht so festgelegt. Ich glaube das letzte Mal habe ich sie mit roten Gurten getragen. Aber ich trag auch unsere Garten-Schürze ganz gerne. Ich habe einen kleinen Schrebergarten und da trage ich den Garten-Vorbinder, weil die Gartenschere gerne irgendwo im Beet liegen bleibt oder im Grünschnitt und man findet sie nicht mehr. Beim Garten-Vorbinder kann man die super in die Tasche stecken, die wir extra dafür entwicklet haben. Also ich trag am meisten eigentlich den Garten-Vorbinder oder die Garten-Latzschürze. Und ich mag auf jeden Fall alles, was aus Rips Moleskin, also aus einer speziellen Bio-Baumwolle hergestellt ist. Da ist mir die Farbe fast ein bisschen egal, weil ich dieses Material so geil finde. Es hat so einen tollen Stand, das kriegt beim Waschen eine super Patina.

„Ich mag auf jeden Fall alles, was aus Rips Moleskin hergestellt ist. Da ist mir die Farbe fast ein bisschen egal, weil ich dieses Material so geil finde. Es hat so einen tollen Stand, das kriegt beim Waschen eine super Patina.“

Anke:
An der Gartenschütze ist im Prinzip alles dran, was uns ausmacht – also im Sinne von „richtig entwickelt“ – die einknöpfbare Tasche für die Schere zum Beispiel. Dann ist das Material sehr speziell und sie hat verschiedenste Taschen und Features. Man sieht an dieser Schürze sehr gut, dass wir Expert*innen darin sind, für verschiedene Berufsgruppen etwas Spezielles zu entwickeln.

gM:
Ich habe in eurem Shop auch Geschirr-Handtücher und eine tolle Tasche gefunden. Werdet ihr euer Portfolio in Zukunft um ähnliche Produkte erweitern?

Anke:
Wir möchten unser Portfolio in Zukunft sehr gern erweitern. Man könnte das erst mal unter dem Titel Ergänzungen für Gastronomie und Hotellerie zusammenfassen. Wir haben Prototypen entwickelt für exklusive Kollektion an Damen- und Herren-Hemden und möchten gern gemeinsam mit unseren Kund*innen Klassiker der Berufsbekleidung weiterentwickeln. Da gibt es schöne Möglichkeiten: einen Kittel, einen Overall, eine Koch-Jacke, ein Arbeits-Kleid und auch passende Hosen. Die sollen in verschiedenen Bereichen getragen werden können und relativ stark gestalterisch auftreten.

Und dann gibt es noch Ergänzungs-Produkte, nennen wir es Accessoires, wie Küchenhelfer. Wir haben einfach gemerkt, dass es manchmal wichtig ist, Ergänzungsprodukte anzubieten. Wie zum Beispiel ein schöneres Geschirrtuch, farblich passend zur Schürze. Und wir haben eine sehr praktische Tasche entwickelt. Die passt eher zum Thema Markt und Einzelhandel, also Delikatess-Läden oder ähnliches. Ein Produkt zwischen Berufs- und Privatleben in diesem Fall.

gM:
Habt ihr zum Abschluss noch einen Tipp für die Reinigung und Pflege eurer Schürzen?

Katrin:
Gurt ab! (alle lachen)

Anke:
Gurt ab.

Katrin:
Sehr selten bekommen wir schon mal von unseren Kunden eine Email: „Wir haben den Gurt gewaschen. Was können wir denn jetzt machen?“ Ja, wenn er aus Leder ist? Nichts. Einen neuen kaufen. Also die Ledergurte auf jeden Fall vor der Wäsche entfernen! Und ansonsten sind die Schürzen alle mit 40 Grad-Wäsche ausgezeichnet. Man kann sie natürlich auch bei 60 Grad waschen. Die Materialien können das alle ab, aber die meisten Flecken gehen auch bei 40 Grad raus. Das ist besser für die Umwelt und am Ende auch für das Gewebe. Und auch für die Textil-Gurte gilt: Gurt ab, damit sich kein verknoteter Klumpen ergibt.

Anke:
Und wenn privat gewaschen wird oder von der Firma selbst, also die Schürzen nicht in die Reinigung gehen, dann gerade bei Polyester-Misch- Geweben die Schürze direkt nach der Wäsche schön ausschütteln und aufhängen, dann spart man sich eventuell den Bügel-Vorgang. Das kommt aber komplett auf das Material an.

gM:
Vielen, vielen Dank für diese vielen interessanten Insights. Das hat sehr viel Spaß gemacht.


GUSSWERK Schürzen – Anke Dezius und Katrin Degen GbR

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Fotocredit Birgit Kaulfuß
Interview Carolin Gennburg

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