Kristiane Kegelmann - pars Pralinen Berlin

Im August 2023 haben wir Kristiane Kegelmann im pars Restaurant in Berlin besucht. Der Ort, der seit Herbst 2022 ihren Pralinen ein neues Zuhause ist. Seit 2017 stellt Kristiane unter dem Namen pars handwerklich Pralinen aus hochwertigen Zutaten ausgesuchter Produzent*innen her. Was das in der Umsetzung bedeutet und wie sie gemeinsam mit ihrem Team pars mit Inhalt und Leben füllt, erzählt uns Kristiane bei Filterkaffee und einigen ihrer köstlichen Pralinen.


Lesezeit ca. 9 Minuten

Praline neu gedacht

gutes MATERIAL (gM):
Du bist bildende Künstlerin und Konditormeisterin und hast 2017 pars Pralinen hier in Berlin gegründet. Was hat dich bewegt, eine Manufaktur für Pralinen zu gründen?

Kristiane Kegelmann (Kristiane):
Gar nichts. (alle lachen) Okay. Also die Pralinen sind ja eigentlich nur zufällig entstanden. Ich habe in der Patisserie gearbeitet, bin dann nach Berlin gekommen, um Kunst zu machen, aber wusste nicht, was das überhaupt heißt. Ich wollte einfach einen Raum fürs Ausprobieren schaffen und habe am Anfang ganz viel mit Lebensmitteln gearbeitet. Das war mir ein vertrautes Material.

Eigentlich habe ich hauptsächlich Objekte gebaut, im Großen und im Kleinen. Nach außen ging es oft um Verblendung. Also wie wirkt etwas? Täuschung. Was passiert, wenn etwas aufgebrochen wird? Und dann gab es immer diesen performativen Moment, wo der Betrachter quasi selbst in Aktion gegangen ist, anfassen konnte, zerstören, vermeintlich und einverleiben. Und da ging es schon ganz viel um Geschmack. Später habe ich gemerkt, dass es mir gar nicht darum ging, Kunst zu machen. Das war einfach am Anfang mein Ausgangsmaterial, weil ich als Autodidaktin in die Kunst gegangen bin und mir das ein Gefühl von Sicherheit gegeben hat. Ich kenne dieses Material, ich kenne die Eigenschaften. Es ist auch interessant, Lebensmittel als bildhauerisches Material zu begreifen.

Also ich konnte das Material einschätzen und deswegen konnte ich damit auch gut arbeiten. Später hat sich für mich aber herauskristallisiert, dass ich die performativen Happenings gar nicht mehr haben wollte. Was mich vielmehr interessiert hat, waren Veränderungsprozesse. Verschiedene Materialien zusammenzubringen, die sehr unterschiedlich in Eigenschaft und Verhalten sind. Ich habe gemerkt, dass ich sehr stark materialbezogen arbeite, aber es hat sich immer mehr, weg vom Essen selbst, entwickelt.

Es war schon immer noch so, dass ich auch essbare Materialien mit eingebunden habe, aber nicht zu dem Zweck, gegessen zu werden, sondern eher als natürliches Material in der Verwendung. Die Objekte, die gefüllt werden konnten, sind von dieser künstlerischen Auseinandersetzung übrig geblieben. Die ersten großen Formen waren Objekte, dann habe ich kleinere Formen gemacht, wo viele kleinteilige Objekte Eins wurden. Und dann gab es einen Zeitungs-Artikel und die erste Firma hat angefragt. Damit hat quasi alles begonnen. Dadurch ist die Pralinen-Manufaktur entstanden. 

„Ich kenne dieses Material, ich kenne die Eigenschaften.“

gM:
Also eher ein Impuls von außen?

Kristiane:
Genau! Für mich war das gut, weil ich Kunst gemacht habe und die Pralinen Geld eingebracht haben. Das war dann punktuell sehr viel Arbeit, aber hat mir Freiraum gegeben und gleichzeitig die Tür zur Gastronomie geöffnet. Ich habe mich immer für Gastronomie interessiert und Kulinarik war immer ein Teil von mir.

Trotzdem wollte ich eigentlich nicht in der Gastronomie tätig sein. Das hat viele Gründe: wie gearbeitet wird, mit welchen Zutaten gearbeitet wird – die ganzen Dinge, die ich jetzt versuche anders zu machen. Die es aber auch erschweren, dass sich etwas wirtschaftlich trägt. So ist pars entstanden. Und das war schön! Weil die Pralinen eben da waren und mir die Tür geöffnet haben, mit anderen Gastronomen in Kontakt zu treten, mich auszutauschen und Zutaten über ähnliche Produzenten zu bekommen.

Aber ich war gleichzeitig auch immer ein bisschen das Alien in der Szene: Die, die diese Pralinen macht, wahrscheinlich reich ist und deswegen ein bisschen rumspielt, so nach dem Motto. Ich war nie so ganz drin, wie alle anderen, aber das war halt so und es war schon immer die Kulinarik, also die Gastronomie, die mich mehr interessiert hat als die Patisserie.

Die Praline ist für mich das perfekte Produkt dafür, das, was mich gestört hat und das, was ich als ästhetischen Geschmack und Ausdruck interessant finde, zusammenzubringen. Es ist ein Körper, der aussehen kann, wie ich es entscheide. Er muss nicht verraten, was er beinhaltet. Also das Brechen mit: Was erwartet wird und was etwas vielleicht ist, welche Form es haben muss, und ob es gleich verraten muss, was es ist. Ich würde jetzt nicht wollen, dass Alina (Köchin im pars Restaurant) ihr ganzes Menü so gestaltet, dass nichts erkennbar ist. Das ist ja eigentlich auch was voll Schönes. Aber es ist einfach schön, wenn es manchmal diesen Moment gibt, wo man sich einlassen muss und vertrauen muss und dann vielleicht dafür etwas ganz Besonderes schmecken darf, was unerwartet ist.

„Wie unterschiedlich Kuvertüre schmecken kann! Wie interessant, wie charakterstark und wie divers.“

gM:
Da gibst du ein super Stichwort zum Thema Praline. Du möchtest ja etwas anders machen, etwas erneuern. Das war für dich ein ganz, ganz wichtiger Impuls. Kannst du da ein bisschen mehr darauf eingehen, was das bedeutet?

Kristiane:
Ah, du hast die Zitate auf der Website gelesen. Wir haben im letzten Jahr die Website neu gemacht, mit dem Vorhaben, besser zu kommunizieren, worum es uns geht.

gM:
Ihr schreibt über die Neu-Erfindung der Pralinen und sagt, dass es wichtig ist, das Handwerk neu zu definieren, das auf traditionell Gewachsenem beruht und, dass ihr zeigen möchtet, was auf diesem Gebiet möglich ist.

Kristiane:
Es ist uns wichtig, zu zeigen was ist eigentlich eine Praline und was ist eigentlich keine Praline. Ich kann fast nirgends eine Praline essen. Ich schmecke sofort, wenn eine minderwertige Kuvertüre verwendet wurde und das ist leider hauptsächlich der Fall. Ich war natürlich noch nicht überall auf der Welt und habe Pralinen probiert, aber ein Großteil der Hersteller verwendet eine, großindustriell gefertigte, „bessere“ Kuvertüre, die aber trotzdem einfach nur nach Schokolade schmeckt und unheimlich süß ist. Und ein Thema, was bei Schokolade schon seit Jahren Thema ist, ist die Frage: Wie wird sie hergestellt? Unter welchen Bedingungen wird in der Produktion gearbeitet? Viele Großunternehmen arbeiten da nicht transparent und das stört mich. Wir verwenden für den Großteil unserer Produkte die Kuvertüre von Holger int´Veld.

Für mich ist es wichtig, zu sehen, woher kommt die Schokolade, wie wird gearbeitet und wie ehrlich gehen die Firmen damit um? Als ich Holgers Kuvertüre kennengelernt habe, habe ich verstanden, wie dieses Produkt eigentlich schmecken soll. Wie unterschiedlich Kuvertüre schmecken kann! Wie interessant, wie charakterstark und wie divers. Und damit dann auch zu arbeiten, dass es eben nicht, wie überall, die gleiche Kuvertüre ist. Fast alle Pralinenhersteller haben eine weiße Schokolade, eine Milchschokolade und eine dunkle Schokolade. Das ist einfach absurd.

„Es spielt eine so wichtige Rolle, wie die Kakao-Bohnen angebaut, geerntet, geröstet, fermentiert, gelagert und transportiert wurden. Wir veredeln ein Produkt, was entlang der kompletten Wertschöpfungskette gut behandelt wurde.“

Und da ist es wie in allen Bereichen, mit allen Produkten – wenn man thematisch so tief reingeht, dann kann man nicht mehr zurück. Holger in´t Veld ist ein Idealist. Er arbeitet mit einem kleinen Importeur in Holland zusammen, der den Rohkakao von kleinen Kollektiven einkauft. Da wählt er dann ganz spezifisch aus, fährt hin, sucht sich die paar Säcke Kakaobohnen aus und und stellt dann hier in kleinen 3,5 Kilo Melangeuren die Schokolade her. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was größere Betriebe machen. Ich habe ihn mal gefragt, warum er mit diesen Maschinen so gerne arbeitet und ein wichtiger Punkt ist, dass er selbst entscheiden kann, wie viel Sauerstoff bei der Produktion in die Kakao-Masse fließt. Bei den ganzen Großmaschinen gibt es gar keine Deckel. Du kannst sie nicht schließen und dadurch verfliegen die ganzen Aromen. Sauerstoff kommt dazu und dadurch geht Säure verloren. Und andere Dinge, die Teil des geschmacklichen Charakters darstellen. Das ist aber leider das, was alle wollen: Einfach nur eine leckere, smoothe Schokolade, Zucker dazu und fertig.

gM:
Aber nur weil sie den Kontrast nicht kennen.

Kristiane:
Ja, oder weil ihre Geschmacksnerven schon längst kaputt sind.

gM:
Das kann man ja wieder zurück entwickeln.

Kristiane:
Das kann man zurück entwickeln, ja!

gM:
Zurück zu Holger in´t Veld

Kristiane:
Also Holger ist ein totaler Nerd. Am Ende ist es ein ganz eigener Bereich, dieses Produkt, die Kuvertüre, aus der Basis-Masse herzustellen. Es spielt eine so wichtige Rolle, wie die Kakao-Bohnen angebaut, geerntet, geröstet, fermentiert, gelagert und transportiert wurden. Wir veredeln ein Produkt, was entlang der kompletten Wertschöpfungskette gut behandelt wurde. Wir machen dann einfach noch etwas Gutes daraus. Aber die eigentlich wichtige Arbeit passiert schon davor.

Und so ist es mit allen Zutaten. Kakao ist halt besonders, weil der Anbau so weit weg ist und viele Arbeitsschritte nicht selbst kontrolliert werden können. Eigentlich müsste Schokolade so viel mehr kosten. Ich weiß nicht, wie manche Firmen ein Kilo Schokolade für ein paar Euro verkaufen können. Es ist mir ein Rätsel, wie das funktionieren soll und geht halt nur über Masse.

gM:
Und indem wirklich Viele in der Kette gar nichts verdienen, oder so schlecht, dass sie eigentlich nicht davon leben können.

Kristiane:
Ja, genau.

gM:
Das ist ein ganz wichtiger Punkt eurer Arbeit: Alles, was in der Praline drin ist, kommt ja maßgeblich aus dem Umland und von kleinen Produzent*innen. Das ist euch super wichtig und ihr sagt auch, dass jede Praline für euch ein Einzelstück ist, also ein handgearbeitetes individuelles Kunststück.

„Jede Praline ist mehrmals in einer Hand, die sie herstellt.“

Kristiane:
Für mich ist Kunststück ein schwieriges Wort. Es ist für mich kein Kunstwerk in dem Sinne, weil ich aus dem Handwerk komme und dann in die Kunst gegangen bin. Andere sagen mir immer: Kristiane, das musst du nicht so ernst nehmen, das ist am Ende alles eins – das ist alles Teil deines Schaffens gewesen. Aber trotzdem komme ich aus dem Handwerk und für mich ist es ein handwerklich hergestelltes Produkt. Eher ein Einzelstück. Jedes Produkt sieht anders aus. In der Produktion gibt es immer Momente, in denen irgend etwas passieren kann und dadurch das Produkt anders aus der Form kommt, als vorgesehen. Meistens bekommt es aber genau dadurch seinen individuellen Charakter. Jede Praline ist mehrmals in einer Hand, die sie herstellt. Am Ende ist sie in vielen Händen gewesen, bevor sie in der Schachtel landet.

gM:
Da kommen wir gleich mal auf dein Team zu sprechen, du produzierst ja schon lange nicht mehr allein, sondern ihr entwickelt die Kompositionen im Team.

Kristiane:
Lara stellt her. (zeigt zu Lara) Die Entwicklung passiert hauptsächlich mit Alina zusammen. Bevor sie die Küchenleitung hier im Restaurant übernommen hat, hat sie anderthalb Jahre die Pralinen hergestellt und in diesem Zeitraum schon angefangen, Rezepturen zu entwickeln. Die Basis geht von mir aus und natürlich möchte ich die Kompositionen verkosten. Ich muss sie mögen, aber ich mag natürlich fast alles, was Alina macht. (lacht)

gM:
Das ist doch eine schöne Win-Win-Win-Situation.

Kristiane:
Ja, das ist eine Win-Win-Situation. Für mich war von Anfang an klar, dass ich nicht mein Leben lang in einem produzierenden Bereich arbeiten möchte. Ich kann das, und es macht mir auch Spaß, aber eigentlich wollte ich ja immer Kunst machen.

gM:
Wenn ihr neue Rezepturen entwickelt, wie kann man sich das vorstellen? Wie geht ihr an so einen Prozess ran? Du hast gesagt, du überlässt da viel Alina, entscheidest dann aber, was rausgeht und was nicht. Diesen Kreationsprozess, kannst du den vielleicht kurz beschreiben?

Kristiane:
Es gibt verschiedene Ansätze. Es gibt einmal den Ansatz: Ich glaube wir brauchen mal wieder was Neues. Was ist jetzt für eine Zeit? Was gibt es für Zutaten? Und dann davon ausgehend. Es gibt aber immer wieder auch Firmen, die eine eigene Pralinenrezeptur haben möchten, zum Beispiel passend zu ihren Produkten. Ich verwende nie deren Industrieware in meinen Produkten, aber ich bin bereit etwas zu entwickeln, was dazu geschmacklich funktioniert.

Und da stellt sich dann die Frage, wer ist dein Kunde? Und soll die Praline für sich stehen oder mit einem anderen Produkt zusammen gehen? Oder was soll sie vermitteln? Soll auf einer subtilen Ebene ein Gefühl verursacht werden? Alina arbeitet ja auch in ihrer Küche sehr stark mit Gefühl. Sie geht im kreativen Prozess oft von einem Gefühl aus, dass sie gerne fühlen will, wenn sie die Speise in ihrem Mund hat. Und so kann es eben auch bei einer Praline sein. Soll es etwas Kühles, Kaltes sein, was einschlägt oder soll es etwas Warmes, Weiches sein? Da kann man ja ganz verschiedene Gefühle vermitteln. 

gM:
Wofür steht pars?

Kristiane:
Pars ist das lateinische Wort für Teil oder Stück. Aber wir haben auch viele Iraner, die hier reinkommen und sich freuen, dass wir pars heißen und denken, es ist ein persisches Restaurant. pars steht für Persien, für Iran. Ja, es gibt viele perische Restaurants, die pars heißen, wurde mir jetzt klar. (alle lachen) Da habe ich mir davor keine Gedanken drüber gemacht, aber das habe ich jetzt herausgefunden. (lacht)

„Ich will die Menschen kennen, die unsere Rohstoffe herstellen. Es sollen möglichst kurze Transportwege sein, aber ich will vor allem auch wissen, wie die Personen arbeiten.“

gM:
Ihr habt im Sortiment auch vegane, gluten- und alkoholfreie Pralinen.

Kristiane:
Alle Pralinen sind glutenfrei, aber es wird halt gekennzeichnet. Wir haben angefangen, das zu kennzeichnen, weil wir Serch Engine Optimization (SEO) in Betracht ziehen und all diese Code-Wörter auch eingebunden werden müssen. Wir haben ein paar vegane Pralinen, aber die sind eigentlich auch deshalb vegan, weil sie von ihren Zutaten her ohnehin vegan sind. Die „Haselnuss“ und die „Birne-Sesam“ sind ohnehin vegan und dann ist es eben auch schön, das anzubieten. Wir machen keine Rezeptur auf Basis von diätischen Vorstellungen, sondern auf Basis des besten geschmacklichen Ergebnisses. Jeder soll für sich seinen eigenen Weg finden, zu essen. Wir versuchen sehr nachhaltig einzukaufen und Produkte von kleinen Herstellern zu verwenden. Das gilt auch für die Verwendung von einem Milchprodukt. Das fühlt sich für mich nicht falsch an.

gM:
Das kann man gut so stehen lassen. Also sind diese Entwicklungen auch wieder etwas, was eher von außen kommt.

Kristiane:
Ja, in dem Fall ist es so. Manche Sachen entstehen einfach und ich finde es schön, dass wir das anbieten können. Aber ich finde es falsch, diesen Weg nur zu gehen, weil vegan gerade gefragt ist. Das macht für mich keinen Sinn. Wir haben sowieso vegane Pralinen, und wenn es gefragt ist, dann können wir die auch kennzeichnen. Es gehört inzwischen einfach zur Kommunikation dazu. Aber ich kann nicht etwas nur deshalb machen, weil es das Außen will. So funktioniere ich nicht. 

gM:
Gibt es denn eine Praline, die von Anfang an dabei ist?

Kristiane:
„Haselnuss“ ist von Anfang an dabei. Die ist immer da.

gM:
Würdest du die als Signature Praline beschreiben?

Kristiane:
Die ist einfach da, weil sie so gut ist und jeder damit etwas anfangen kann. Diese Praline holt die ab, die sagen „So etwas experimentelles wie Tamari will ich nicht.“ Die, die eine normale Praline wollen. Und es holt aber auch die ab, die alles andere mögen. Auch die finden die „Haselnuss“ toll.

gM:
Und hast du eine Lieblings-Praline?

Kristiane:
Nein, ich habe Viele. Ich habe ein paar Pralinen, die nicht meine absoluten Favoriten sind. Also die, wo ich andere lieber mag, die auch gut sind und ihren Stellenwert haben, aber wo vielleicht eine bestimmte Zutat einfach nicht meine Lieblingszutat ist. Und es gibt ein paar, die ich Anderen vorziehe. Aber es gibt nicht die Eine, die ich am liebsten mag.

gM:
Und gibt es Eine, wo du sagen würdest, wenn man pars kennenlernen möchte, dann muss man die probieren, weil mit dieser Praline versteht man eure Geschichte und eure Intention?

Kristiane:
Das ist die „Dill-Blüte“, aber die gibt es nicht immer. Dill-Blüten gibt es eigentlich über den ganzen Sommer, vor allem im Früh-Sommer. Aber dieses Jahr war es erst so kalt, dann hat es sehr viel geregnet und bei ganz vielen Produzenten sind die Blüten dieses Jahr ertrunken. Wir haben nur ganz wenig Dill-Blüten dieses Jahr bekommen und gar keine trocknen können. Das heißt, das ich jetzt noch nicht sagen kann, wann es wieder „Dill-Blüte“ gibt.

„Wir machen keine Rezeptur auf Basis von diätischen Vorstellungen, sondern auf Basis des besten geschmacklichen Ergebnisses.“

gM:
Aber das zahlt ja auf euren Prozess ein, dass ihr so stark mit regionalen Lieferant*innen arbeitet.

Kristiane:
Ja genau. Ich will die Menschen kennen, die unsere Rohstoffe herstellen. Es sollen möglichst kurze Transportwege sein, aber ich will vor allem auch wissen, wie die Personen arbeiten. Wie kommen die klar in ihrem Kreislauf? Wie gehen die mit ihrem Land und ihren Tieren um, mit der Natur? Und kann ich das? Will ich Teil davon sein? Das ist ein komplizierter Prozess.

Die Haselnuss ist ein gutes Beispiel. Wir beziehen unsere Haselnüsse aus Bayern. Die gibt es jetzt nicht mehr bis Ende Oktober, bis die neue Ernte da ist. Da entstehen Lücken. Und ich habe jetzt, als ich auf Sizilien eine unserer Winzerinnen besucht habe, festgestellt, deren Mann baut Mandeln an. Da haben wir dann Mandeln bestellt, weil das für mich wieder funktioniert. Weil ich gesehen habe, wie die Menschen arbeiten, sie kennengelernt habe und verstehe, dass ihr Anspruch ein ähnlicher ist, wie unserer. Da gibt es dann einen längeren Transportweg, aber es ist trotzdem schön, deren Produkt mit einzubinden. Und es gibt auch Ausnahmen: Pujan´s* Familie bringt immer persische Limonen aus dem Iran mit (*Pujan ist der Mann von Kristiane). Die sind überhaupt nicht regional. Aber es ist ein tolles Produkt, dass mir persönlich mitgebracht wird. Es gibt immer wieder mal Ausnahmen, die für mich in Ordnung sind. Wir sind nicht radikal regional, sondern für uns zählen auch die Beziehungen. Das ist für uns ein gesunder Umgang, mit dem Thema zu arbeiten.

gM:
Radikal regional ist mit Schokolade ja auch schwierig.

Kristiane:
Genau. Und deswegen hat sich das auch dahin entwickelt, dass es in Ordnung ist, mal andere Produkte mit einzubeziehen. Es geht ganz viel um die Verbindung mit den Menschen, die produzieren und was für ein Produkt im Prozess herauskommt. Ich könnte keine Mandeln über den Großhandel bestellen. Die Mandeln gehen für mich nur, weil ich die Menschen kennengelernt habe und sich das stimmig anfühlt.

gM:
Wir haben jetzt viel Einblick in eure Arbeitsstruktur bekommen. Ich höre da relativ viel Aufwand raus. Die Praline ist ein kleinteiliges Produkt mit vielen Arbeitsschritten, die durch viele Hände gehen und du sagst ganz klar, dass es euch wichtig ist, mit kompromisslosen Vorreitern der Lebensmittelproduktion zusammenzuarbeiten. Was treibt dich und euch als Team an, konsequent diesen Weg zu gehen?

Kristiane:
Für mich lohnt sich der Aufwand nicht, ein eigenes Unternehmen zu haben, wenn ich nicht hinter dem Produkt stehen kann. Ich kann nicht etwas machen, wo ich nach vorn sage ich mache es so und dann mache ich es anders. Ich will hinter dem Produkt stehen können. Das ist bei mir auf jeden Fall der Punkt. Und ich glaube im Team ist es genauso. Da haben sich Menschen gefunden, die das Produkt ähnlich sehen und genau das gut finden. Und genau deshalb vielleicht auch eher in einem Team arbeiten, wo so gearbeitet wird, als irgendwo, wo es egal ist, wo eingekauft wird. Ich glaube, das findet sich alles zusammen weil wir auch menschlich auf ähnliche Dinge Wert legen.

gM:
Das zieht sich dann wie ein roter Faden durch das gesamte Unternehmen?

Kristiane:
Ja, würde ich schon sagen.

gM:
Also ich sehe das. Ich finde, man spürt das ganz stark. Egal ob man euch auf der Website besucht, oder hier im Laden ist.

Kristiane:
Das bringt aber auch Probleme mit sich. Wir arbeiten mit flachen Hierarchien. Natürlich bringt das vor allem Gutes, aber es bringt auch Schwierigkeiten mit sich. Alles was gut ist, hat auch eine komplexe Seite. Aber ich glaube, dass wir alle, die hier arbeiten, auch sehr sensibel sind und gar nicht mit Menschen arbeiten können, die komplett anders ticken. Am Ende zählt das Zwischenmenschliche. Wenn das nicht funktioniert, dann funktioniert es nicht. Wir alle hier sind so passioniert, wir leben das, was wir tun. Das ist alles miteinander verwoben – wer man ist, was man wertschätzt, worauf man Wert legt. Und das ist mir ja alles nicht nur wichtig in meinem Unternehmen, in dem ich arbeite, sondern das finde ich allgemein als Mensch wichtig. Das bin ich oder ich bin es halt nicht.

„Die Praline ist für mich ein Produkt ganz nah an meinem Herzen.“

gM:
Du hast der Praline im Herbst 2022 mit dem Restaurant pars ein neues Zuhause gegeben. pars ist gewachsen und hat sich verändert. War es deine Idee, dass die Praline mehr im Konzept des Restaurants aufgeht?

Kristiane:
Mein Plan war nicht, dass die Praline für sich selbst nicht mehr funktioniert, sondern dass sie durch das Restaurant das ganze Jahr über funktioniert. Dass auch die Saisonalität ein bisschen abgemildert wird. Die Praline an sich ist ein absolutes Saisonprodukt – Weihnachten geht super viel, aber es gibt ganz viel Zeit im Jahr, wo wenig passiert. Aber ich stelle ja nicht jemanden ein, für drei Monate, sondern für das ganze Jahr. Deswegen ist es so schön, dass dadurch, dass die Praline immer auch im Restaurant stattfindet und unsere Gäste zusätzlich Pralinen kaufen, das Geschäft einfach noch mal eine andere Stabilität bekommen hat. Da die Pralinen Teil vom Restaurant sind und alles von den gesamten Einnahmen getragen wird. Es ist ein Unternehmen. 

gM:
Du hast gesagt, du siehst dich nicht mehr als Patissiere. Als was siehst du dich?

Kristiane:
Wenn ich mich vorstelle, dann würde ich sagen, ich bin Künstlerin und habe ein Restaurant eröffnet. Die Praline ist für mich ein Produkt ganz nah an meinem Herzen. Sie ist für mich nie eine Süßigkeit gewesen. Da spielt so viel rein, so viel Unterschiedliches. Das, was zuerst auffällt ist die Gestaltung. Aber die Zutaten, das, was in der Praline drin ist, waren mir immer noch wichtiger. Dass man mit einer Praline einen geschmacklichen Höhepunkt erreichen kann, eine Intensität. Mir geht es darum, ein sensorisches Erlebnis zu haben. Deswegen sehe ich mich nicht als klassische Patissiere.

Kristiane Kegelmann pars Pralinene Berlin gutes MATERIAL

Kristiane Kegelmann – pars

Grollmannstraße 53
10623 Berlin
Deutschland

Telefon: +49 30 499 197 86

www.pars.berlin

Instagram
LinkedIn


Fotocredit Birgit Kaulfuß
Interview Carolin Gennburg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert